Reise um den Mond
Inhaltsverzeichnis
Jules Verne und Apollo 13
Der Autor der Romane „Reise zum Mond“ und „Reise um den Mond“, Jules Verne, hatte schon um 1865 detaillierte Vorstellungen darüber, wie eine Reise um den Mond und wieder zurück aussehen könnte. Erstaunlich viele Teile seines Romans fanden zum ersten Mal im Flug von Apollo 8 seine Verwirklichung. Im folgenden sollen ein paar Gedanken zu Vision und Wirklichkeit gemacht werden, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Die Geschichte, die uns Jules Verne erzählt, nimmt kurz zusammengefasst etwa folgenden Verlauf:
Nacherzählung
Aus der Einleitung zum zweiten Teil „Reise um den Mond“:
Illustration aus der Erstausgabe „Reise um den Mond“ von Jules Verne |
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Die Mitglieder des Gun Clubs, einer Vereinigung die sich nach dem Bürgerkrieg in Baltimore in den Vereinigten Staaten gebildet hatte, waren auf die Idee gekommen, sich durch eine Kugel mit dem Mond in Verbindung zu setzten, die sie auf ihn abschiessen wollten. [..] Gemäss einem von der Sternwarte Cambridge verfassten Gutachten musste die für den Abschuss der Kugel zu bauende Kanone um den Mond im Zenit anzuvisieren, in einem Land aufgestellt werden, dass zwischen 0 und 28 Grad nördlicher und südlicher Breite liegt. Der Kugel musste eine Anfangsgeschwindigkeit von 12’000 Yards pro Sekunde gegeben werden. Der Abschuss musste am 1. Dezember genau um 13 Minuten 20 Sekunden vor 23 Uhr erfolgen. [..] Als Abschussplatz wählte man einen Ort in Florida bei 27°07’ nördlicher Breite und 5°07’ westlicher Länge, natürlich vom Nullmeridian Washington aus gemessen. [..] Es wurde vom Gun Club beschlossen:
1) Das Geschoss sollte eine Hohlgranate aus
Aluminium von 108 Zoll Durchmesser sein,
seine Wände sollten 12 Zoll dick sein,
es sollte 19’250 Pfund wiegen;
2) die Kanone sollte eine gusseiserne Columbiade
von 900 Fuss Länge sein, die direkt in den
Erdboden zu giessen sei;
3) die Ladung sollte aus 400’000 Pfund Schiessbaumwolle
bestehen. Das Geschoss sollte den Mond bei Vollmond
erreichen.
Die Columbiade | ||
Länge | 300 m | |
Treibstoff | 200 Tonnen Schiessbaumwolle | |
Die Hohlgranate | ||
Durchmesser | 108 Zoll | |
Gewicht | ca. 10 Tonnen | |
Das ursprünglich unbemannt geplante Geschoss wurde schliesslich mit zwei Amerikaner und einem Franzosen und zwei Hunden bemannt. Neben einem Vorrat an Nahrungsmittel wurde auch Sauerstoff und eine Kohlendioxyd absorbierende Chemikalie mitgeführt. Auf der Reise begegneten die drei Reisenden einem kleinen bisher unbekannten Mond der Erde, mit dem sie beinahe zusammenstiessen. Dieser brachte sie auch etwas vom Kurs direkt auf die Mondmitte ab. Als sie schliesslich den Punkt erreichten, wo die Anziehungskraft der Erde und die Anziehungskraft des Mondes gleich stark sind (sog. Punkt L1), erlebten die Raumfahrer die Schwerelosigkeit. Ein versehentlich zu weit offengelassenes Ventil der Sauerstoffflaschen hätte beinahe zur Katastrophe geführt, denn Jules Verne glaubte, dass zu viel Sauerstoff tödlich sein könne. Schliesslich verfehlen die Raumfahrer den Mond und glauben, dass sie auf eine Mondumlaufbahn gezogen werden. Das Geschoss umläuft den Mond über beide Pole und die Rückseite. Auf der Rückseite befindet sich das Raumschiff im Mondschatten und die Temperatur sinkt unerträglich. Nachdem die Bahn die drei Reisenden wieder auf die Vorderseite geführt hat, fallen sie wieder zur Erde zurück. Auch eine Zündung einer Rakete an Bord des Geschosses kann dies nicht verhindern. Die Mondlandung blieb somit für Jules Vernes Helden ein Traum. Das Geschoss wasserte schliesslich im Pazifik. Als Resultat halten die Reisenden fest, dass der Mond unbewohnbar sei.
Apollo 13, auch eine Reise um den Mond
Saturn 5 | |
Höhe | 111 Meter |
Startmasse | 2950 Tonnen |
Startschub | 3750 Tonnen |
Treibstoff 1. Stufe | Kerosin |
Treibstoff 2+3. Stufe | Wasserstoff, Sauerstoff |
Im 20. Jahrhundert standen die Vereinigten Staaten in Konkurrenz zu Russland, das es geschafft hatte 1957 den ersten künstlichen Satelliten und 1961 den ersten Menschen um die Erde kreisen zu lassen. Der Präsident der Vereinigten Staaten John F. Kennedy erklärte es deshalb 1961 zum Ziel der Nation, einen Mann zum Mond und wieder sicher zurück zu bringen. Anstelle von Kanonen verwendete man Raketen, um eine Nutzlast in den Weltraum zu transportieren. Der Startplatz für diese Rakete lag in Florida bei Cape Canaveral. Nach der ersten Mondumkreisung von Apollo 8 und 10, der erfolgreichen Mondlandung von Apollo 11 (Landung am 20. Juli 1969) und der Wiederholung dieses Erfolges durch Apollo 12 sollte am 11. April 1970 zum dritten Mal eine Crew von drei Mann zum Mond aufbrechen.
Die erste kleine Schwierigkeit erlebten James A. Lovell, John L. Swigert und Fred W. Haise beim Aufstieg mit der Saturn 5. Das mittlere der insgesamt fünf Triebwerke der zweiten Stufe viel aus. Die vier übrigen Triebwerke konnten allerdings den Ausfall kompensieren, so dass die Mission weitergehen konnte. Mit der noch nicht leeren angekoppelten dritten Stufe erreichte man planmässig eine Erdumlaufbahn. Im zum Erreichen des Mondes günstigen Moment wurde diese dritte Stufe abermals gezündet, um auf die zum Erreichen des Mondes notwendigen 11 Kilometer pro Sekunde zu beschleunigen. Unterwegs wurde die Landefähre aus der dritten Stufe hinausgezogen und an die Kommandokapsel angekoppelt. Die Mondlandung sollte mit einem speziell zu diesem Zweck gebauten Raumschiff (LEM) erfolgen, dass zwei der drei Astronauten von einer Mondumlaufbahn auf den Mond und wieder zurück in die Mondumlaufbahn brachte. Die Kommandokapsel sollte in der Mondumlaufbahn bleiben und nach Abschluss der Mission die drei Astronauten wieder zurück zur Erde bringen. So war es geplant.
Gar nicht weit vom „neutralen Punkt“, der in Jules Vernes Geschichte eine besondere Rolle spielte, gerieten die drei Astronauten in ernsthafte Schwierigkeiten. 330’000 Kilometer von der Erde entfernt explodierte einer der Sauerstofftanks in der Versorgungseinheit der Kommandokapsel. Man verlor allen Sauerstoff bis auf einen kleinen Vorrat, der für die letzen Minuten vor der Landung vorgesehen war. Da auch die Energieversorgung von diesem Sauerstoff abhing, musste die Kommandokapsel abgeschaltet werden, um die Reserven für die Landung nicht zu verbrauchen. Die drei Astronauten mussten versuchen im LEM zu überleben.
Apollo Kommandokapsel | |
Gewicht | 5850 kg |
Durchmesser | 3.9 Meter |
Kegelhöhe | 3.5 Meter |
Serviceteil | |
Gewicht | 24.5 Tonnen |
Länge | ca. 9 Meter |
So wie das Geschoss des Gun Clubs unabsichtlich, verfolgte Apollo 13 absichtlich einen Kurs der ganz knapp am Mond vorbei führen würde. Auch ein beschädigtes Raumschiff verfolgt seinen Kurs nach den Gesetzen der Schwerkraft immer weiter. Die Bahn war so gewählt, dass sie hinter dem Mond hindurch und dann zur Erde zurück führen würde. So flogen also die Astronauten von Apollo 13 um den Mond herum, um dann wieder Richtung Erde geschleudert zu werden (sog. „free return“). Nachdem die Rückseite umflogen war, machten auch die Apollo-Astronauten eine grosse Triebwerkszündung, mit dem eigentlich für die Landung vorgesehenen Triebwerks des LEM. Allerdings nicht um doch noch zum Mond zu kommen sondern um schneller zur Erde zurück zu kommen. Nach dieser Zündung musste auch alles an Bord des LEM abgeschaltet werden, denn die Vorräte des LEM waren nicht dafür ausgelegt drei Astronauten so lange am Leben zu erhalten. Das nächste Problem liess nicht lange auf sich warten. Die Kohlendioxyd absorbierenden Chemikalien an Bord des LEM waren gesättigt und der Kohlendioxydanteil stieg auf toxische Werte. An Bord der Kommandokapsel gab es noch genügend Kohlendioxydfilter, doch konnten diese nicht an das Lüftungssystem des LEM angeschlossen werden. Die Anschlüsse passten nicht. Nur eine Heimwerker-Meisterleistung mit Klebeband und Plastik half, die Vergiftung der Astronauten doch noch abzuwenden.
Trotz Befürchtungen, dass der Hitzeschild beschädigt sein könnte, verlief schliesslich der Wiedereintritt der Kommandokapsel in die Erdatmosphäre problemlos, und die Kapsel schwebte an Fallschirmen in den Pazifik. Der Flug der Apollo 13 hatte trotz aller Gefahren ein glückliches Ende genommen.
Übereinstimmungen und Unterschiede
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Manchmal werden Jules Verne fast prophetische Eigenschaften zugestanden. Er hat versucht mit den ihm bekannten physikalischen Gesetzen eine Reise zum Mond zu kreieren, die zumindest im Prinzip hatte durchführbar sein sollen. Im Gegensatz zu Vorgängern wie Kepler verzichtete er in seinem Roman „Reise zum Mond“ auf Magie. Ein paar Punkte werden hier nun ohne Anspruch auf Vollständigkeit herausgegriffen und kurz diskutiert:
Startplatz in Florida: Wenn man das Buch genauer liest, muss man es als glücklichen Zufall betrachten, dass Jules Verne fast den richtigen Standort getroffen hat. Es ist richtig, dass ein Startplatz nahe am Äquator Vorteile bringt, jedoch nicht, weil dort der Mond im Zenit stehen kann, sondern weil dort die Geschwindigkeit der Erdrotation am grössten ist. Die Rakete muss im Vergleich zu einem Starplatz in hohen geographischen Breiten etwas weniger schnell sein, um in eine Erdumlaufbahn zu gelangen. Das zweite Argument von Jules Verne, dass der Startplatz auf dem Territorium der USA sein muss, war richtig.
Die Kanone: Die Luftreibung wurde von Jules Verne unterschätzt. Offenbar dachte Jules Verne schon an Raketen, die es erlauben, Raumfahrzeuge anzutreiben. Vielleicht dachte er auch, dass eine Kanone von den Lesern des 19. Jahrhunderts besser akzeptiert wurde? Auf jeden Fall hätten die Reisenden keine Chance gehabt, die beim Startschuss wirkenden Beschleunigungen zu überleben.
Die Bahn: Jules Verne hatte sich mit Newtons Schwerkraft beschäftigt. In seinem Roman rechnet er vor, wie er dies gemacht hat. Er löst eine bekannte Physik-Aufgabe: Nehmen wir Erde und Mond als im Raum festgenagelt an. Ein Geschoss wird von der Erde zum Mond geschossen. Welche Geschwindigkeit braucht es mindestens um den Mond zu erreichen und wie lange dauert es? Die Lösung ist gut geeignet, um die Reisezeit abzuschätzen. Jedoch fallen da ein paar Details unter den Tisch. Man feuert die Kanone von der rotierenden Erde ab und die Schwerkraft der Sonne wird die Bahn ebenfalls etwas verändern. So hätte es eigentlich den 2. Mond der Erde nicht gebraucht, dass Jules Vernes Granate den Mond verfehlte. Die Details der Bahnberechnung hätten dasselbe bewirkt. Richtig ist, dass es eine Bahn gibt, die um den Mond führt und dann wieder zur Erde zurück. Apollo 13 ist auf dieser Bahn geflogen.
Die Schwerelosigkeit: Hier unterlief Jules Verne einen Überlegungsfehler, der auch heute unter Laien noch weit verbreitet ist. Er dachte, schwerelos sei man, wenn keine Kräfte wirken oder sich vorhandene Kräfte gegenseitig aufheben. Dann ist man tatsächlich schwerelos, jedoch nicht nur dann. Eine andere Denkweise beschreibt es besser. Die Schwerelosigkeit erlebt man im freien Fall. Salopp gesprochen, spricht man vom freien Fall, wenn ein Körper oder Raumschiff einer durch die äusseren Kräfte vorgegebenen Bahn folgt. Jules Vernes Astronauten wären also unmittelbar nach Verlassen der Erdatmosphäre die ganze Zeit bis zum Wiedereintritt in die Erdatmosphäre schwerelos gewesen. Eine Erdumlaufbahn ist auch eine solche Bahn des freien Falls. Deshalb sind die Astronauten an Bord der internationalen Raumstation schwerelos, obwohl in der Höhe der Umlaufbahn von ca. 390 km die Anziehungskraft der Erde nur wenig geringer ist als am Erdboden.
Der Mond: Die Erscheinungen der Mondoberfläche werden von Jules Verne sehr detailliert und weitgehend richtig beschrieben, auch wenn er sich noch nicht ganz von der Hoffnung lösen konnte, dass es – vielleicht vor allem auf der Rückseite – wenigstens noch ein wenig Luft zum Atmen und ein wenig aktiven Vulkanismus gäbe. Seine Helden lässt er auch über die Ursache der Ringgebirge (Mondkrater) rätseln. Der Vorschlag, sie als Einschläge von kleineren Körpern (Asteroiden oder Kometen) zu verstehen, wird erwähnt. Die Vorstellung von erloschenen Vulkanen steht im Vordergrund und entsprach auch der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts. Dies blieb bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts so. Erst mit den Apollo-Flügen konnte bewiesen werden, dass keiner der Krater jemals etwas mit einem Vulkan zu tun hatte. Jules-Vernes Vorstellung, dass der Mond eiförmig sei, die runde stumpfe Seite zur Erde zeige und der längliche Teil die Rückseite bilde, war dichterische Spekulation, die keine Bestätigung durch die Raumfahrt fand.
Links: Wasserung nach Jules Verne. Rechs: Wasserung der Apollo-Kapsel |
Wasserung: Die Wasserung im Pazifik findet sich auch bereits in Jules Vernes Buch. Allerdings dauerte bei ihm die Bergung der schwimmenden Kapsel wesentlich länger als in der Wirklichkeit der Apollo-Flüge.
Leider blieb auch die internationale Zusammenarbeit hinter den Erwartungen von Jules Verne zurück. Er liess neben zwei Amerikanern auch einen Franzose mitfliegen. Bei Apollo gab es ein paar internationale Experimente, die mitfliegen durften und auch das Mondgestein wurde international analysiert, doch sonst blieb Apollo eine US-amerikanische Angelegenheit. Vielleicht wird auch Jules Vernes Gedanke einer internationalen Mannschaft eines Tages Wirklichkeit.